DSOL: Endstation Berliner Wertung

Wieder Pech für Fulda. Auch im Halbfinale entschied die Berliner Wertung gegen uns, nachdem die zweite Mannschaft sich einen tollen Kampf mit dem Hamelner SV II geliefert hatte. Damit finden die Finals ohne Fuldaer Beteiligung statt.

von Martin Küpper

SV Hameln II vs. SC Fulda II: 2-2 (7-3)

Uwe Hasselbacher an Brett 1 hatte einen fürchterlichen Tag. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Um trotzdem ein paar Zeilen zu schinden, will ich hier dem Wunsch des Chats nachkommen und auf das menschenverachtende System genannt „Berliner Wertung“ hinweisen. Wieso soll das Matchup an Brett 1 mehr wert sein, als an Brett 4? Sind das etwa wichtigere Menschen? Reiner Klassismus (oder itrgendwas anderes mit -ismus), da waren wir uns bei Discord einig. J’accuse DSOL! 11111

Aber im Ernst, irgendwie muss man einen Tiebreak haben und ich bin mir sicher, Uwe war auch nicht mehr in der Stimmung zwei Stunden nach dem Ende der Partie einen Blitzentscheid zu spielen. Trotzdem weiß ich nicht, ob man gerade unter der Woche, wo die äußeren Umstände einen größeren Einfluss auf die Form der Spieler haben, nicht doch zum Blitzentscheid greifen sollte, bevor man eine künstliche Wertung heranzieht. Vielleicht ist die Lösung von der FIDE Online – Olympiade, wo jede Mannschaft nur einen Spieler ins Stechen geschickt hat, keine so schlechte Idee?

Am zweiten Brett spielte Konstantin Wolgin wieder eine hochkomplizierte Partie. Diesmal wählte er mit Schwarz die Grünfeldindische Verteidigung. Weiß spielte die klassische Abtauschvariante mit Lc4 und Se2, worauf Konstantin den modernen Aufbau mit 10. – b6 spielen wollte. Nach dem ungewöhnlichen 11. Tb1 (Maus – Slip?) ging er in den Aufbau mit Dc7 über. Weiß reagierte mit 12. Lf4, was nach 12. – e5 zu einer messerscharfen Stellung führte. In den nächsten Zügen fand Konstantin leider nicht die optimale Aufstellung für seine Figuren und als sich das Zentrum öffnete, hatte Weiß deutlich mehr Feuerkraft am Königsflügel. Schwarz musste sich äußerst präzise verteidigen, was Konstantin auch wieder gut gelang. Sein Gegner fand nicht den entscheidenden Hebel und er konnte nach und nach alle seine Figuren zur Unterstützung des Königs herbeiholen, so dass er um den 30. Zug wieder im Rennen war. Leider allerdings mit knapper Bedenkzeit und so schwang das Pendel noch mehrfach hin und her, bis Konstantin sich schließlich in einem Endspiel mit Minusqualität wiederfand, das nicht zu halten war. Wieder ein spannender Kampf, diesmal leider ohne Happy End.

Bei Andreas Hartmann an Brett 3 lief die Partie dagegen ganz anders. Mit Schwarz brachte er wieder „seine“ Struktur im Franzosen aufs Brett. Weiß konnte zwar leichten Druck entwickeln, doch mit präzisem Spiel erreichte Andreas eine ausgeglichene Stellung in der beide Seiten Turm, Springer und sechs Bauern hatten. Bei nahezu symmetrischer Bauernstruktur und reduziertem Material schien ein Remis höchstwahrscheinlich. Andreas zeigte aber wieder einmal, dass der Spieler mit einem Plan auch in scheinbar einfachen Stellungen dem Gegner ohne Ideen überlegen ist. Trotz knapper Bedenkzeit aktivierte er seinen König und brachte den Springer nach d6, von wo er auf die einzige weiße Schwäche, den Bauern b2 schielte. Gleichzeitig expandierte er am Königsflügel, was mögliches Gegenspiel dort erstickte. Vermutlich von den plötzlichen Problemen überrascht, zog Weiß seinen König nach e3 und Andreas ließ sich nicht zweimal bitten: 31.- Sc4 + nebst Sxb2 gewann einen Bauern und wenig später die Partie. Wieder eine schöne positionelle Leistung.

„Wer spielt denn da an vier?“ war die erste Frage, die jeder Besucher der Taverne Fulda auf Discord stellte. Weiß spielte 1. d4, baute sich solide auf und hatte sogar die schlechtere Zeit. Doch es war tatsächlich unser Milos Maksimovic, der mal etwas Neues ausprobieren wollte. Und schlecht lief es nicht: nach der Eröffnung entwickelte sich eine Stellung, in der beide Seiten dynamische Chancen hatten. Schwarz hatte zwar das Läuferpaar, Weiß dafür einen starken Springer auf e5. Doch im 14. Zug griff Milos fehl: f4 stabilisiert zwar den Springer, übersah aber, dass Schwarz mit cxd4 und dxc4 im Zentrum einen Bauern gewinnen kann. Aber eigentlich war es ein glücklicher Maus – Slip, denn das ursprünglich geplante 14. f3 hätte zu einer noch schlechteren Stellung geführt. So hatte Milos zwar einen wichtigen Bauern weniger, konnte diesen aber gut blockieren und Angriffschancen am Königsflügel kreieren. Als Schwarz seine Dame auf die Reise Richtung g3 schickte, hatte er schon vollständige Kompensation. Einmal den König im Visier, ließ Milos sich auch nicht mehr aufhalten. Mit einem Bauern auf f6 und einem Läufer auf d3 konnte er immer mit Mattdrohungen operieren und in die schwarze Stellung eindringen. Doch der Gegner verteidigte sich zäh und nach einer kleinen Ungenauigkeit war die Partie wieder offen. Als Schwarz dann jedoch auf Bauernraub ging, anstatt seinen Freibauern laufen zu lassen, ergriff Milos seine Chance, bildete seinerseits einen Freibauern am Damenflügel und stürmte los. Im 38. Zug spielte er a4, dann a5 und a6, um schon im 43. Zug den Bauern umzuwandeln. Schwarz musste seinen Turm geben und der Rest war für Milos nur noch Formsache. War das die Geburt von Milos 2.0? Auf jeden Fall eine spannende Partie!